Atelier Ines Rosemarie Geister
Atelier Ines Rosemarie Geister

Jugendkriminalität

Artikel aus der März 2004 Ausgabe des Vierländer Boten

Frauentreffen im Winterhalbjahr

Thema: Gewalt und Zivilcourage bei Kindern und Jugendlichen


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Fünfhausen (ig) – Im Rahmen der Reihe „Frauentreffen im Winterhalbjahr“ hatte der Landfrauenverband Hamburg zum Thema „Gewalt und Zivilcourage bei Kindern und Jugendlichen“ eingeladen. Zahlreiche Frauen und auch die örtliche Polizei waren in der Mehrzweckhalle im BIG Fünfhausen erschienen, um sich durch den Vortrag des Direktors des Kriminologischen Forschungsinstitutes Niedersachen (KFN), Professor Dr. Christian Pfeiffer, informieren zu lassen.


„In den Jahren zwischen 1984 und 1997“ so führte Professor Dr. Christian Pfeiffer an „hat sich die Gewalt bei den unter 30jährigen um ein Drittel erhöht. Ein Fünftel davon sind Jungs.“ Weiter wies er darauf hin, dass Gewaltkriminalität durchaus auch Frauensache sei, aber viel stärker die Gewalt von jungen Männern zugenommen habe. Warum ist Gewalt männlich und Zivilcourage weiblich und warum hat die Gewaltkriminalität seit 1998 weiter zugenommen?

Studien zeigen, dass immer mehr Männer vorzeitig die Schule abbrechen. Vor zehn Jahren waren die Männer noch besser, als die Frauen. Dies hat sich in den letzten Jahren gewandelt. Jetzt sind es überwiegend Frauen, die höher dotierte Positionen in der Wirtschaft anstreben. „Die Leistung“, so Professor Dr. Christian Pfeiffer „geht immer mehr in den Keller. Die Leistungsspitze ist heute weiblich. Was hat sich für die Jungs in den letzten 10 – 15 Jahren geändert und für die Mädchen nicht?“

Laut Professor Dr. Christian Pfeiffer sei der „barmherzige Samariter“ eine Frau. Bei Versuchen in U-Bahnen hat sich herausgestellt, dass die meisten Menschen lieber wegsehen, als zu helfen, wenn jemand bedroht wird. Das Erstaunliche daran war, je lauter und brutaler die Übergriffe wurden, um so weniger Menschen fühlten sich animiert, einzugreifen. Allerdings zeigten die Versuche auch, dass bereits ein couragierter Mensch genügt, um die Situation zu entschärfen. Plötzlich beteiligten sich auch die anderen Fahrgäste an einer friedlichen Lösung des Konfliktes. „Wichtig ist der Mut, nicht wegzuschauen“, so Professor Dr. Christian Pfeiffer. „Die Studien haben bewiesen, dass, wenn überhaupt jemand hilft, es die Frauen sind.“ Und weiter: „Frauen waren schon im Krieg verlässlicher. Selbst damals haben mehr Frauen Juden versteckt, als Männer. Umfragen bei den noch lebenden „Judenrettern“ des Zweiten Weltkriegs haben eindeutig zu Tage gebracht, dass liebevolle Erziehung den liebevollen Umgang mit anderen fördert. Alle Eltern von „Judenrettern“, so kam heraus, haben sich immer fürsorglich um Menschen gekümmert. Damit ist wohl eindeutig bewiesen, dass Nächstenliebe vererbt wird.“ Gewaltfreie Erziehung fördert den aufrechten Gang. Die Eltern von „Judenrettern“ hatten ihre Kinder nicht geschlagen. Auch zeigte sich, dass bei den „Judenrettern“ weder die Frauen noch die Männer dominant waren. Die Werte zählten und nicht die Macht. „Wir waren doch alle Helden“, so wurde gesagt „und immer waren wir alle in Gefahr, entdeckt zu werden. Aber wenn wir Halt haben, dann sind wir mutiger.“ Warum also helfen mehr Frauen als Männer? „Frauen sind genetisch bedingt anders“, stellte Professor Dr. Christian Pfeiffer fest. „In der Wahrnehmung von Notlagen sind sie eindeutig besser, was sich bereits bei der Fürsorge bei Neugeborenen zeigt. Bei Männern kam es dagegen schon immer darauf an, „seinen Mann zu stehen“ und „drauf zu hauen.“ „Es gibt aber auch Männer, die helfen“, fügte Professor Dr. Christian Pfeiffer noch mit einem Lächeln an.

Jungs, die weinen bekommen von ihren Eltern gesagt, dass ein Junge das nicht tut. Frei nach dem Motto: „Ein Indianer kennt keinen Schmerz“, während die Mädchen von Anfang an die Opferrolle lernen. Es ist Erziehung, dass Männer so zugeknöpft sind. Jungs finden es untereinander toll, zu prügeln, was wiederum bei den Mädchen nicht so gerne gesehen ist. Männer dagegen haben eine Ehre zu verteidigen.

„Vor 100 Jahren“, so Professor Dr. Christian Pfeiffer „haben die Deutschen ihre Frauen genauso oft geprügelt, wie heute noch die Türken in Ost-Anatolien, wo Frauen immer noch Zwangsverheiratet werden.“ Weiter führt er aus, dass jedes Kind, das mehr als drei Stunden täglich vor dem Fernseher sitzt, von der Medienverwahrlosung bedroht ist. Kinder sehen zu früh fern. Die Jungs sind meistens bestens mit Gameboy, PlayStation, Computern, Fernseher, usw. ausgestattet, und die Art der Filme, die von Jungs gesehen werden, unterscheidet sich deutlich von denen der Mädchen. Jungs sehen eher Actionfilme, während Mädchen lieber friedlichere Filme bevorzugen, in denen Liebe eine Rolle spielt. Während dieser Studien hat sich auch herausgestellt, dass Jungs häufiger mogeln als Mädchen.

Unser Gehirn funktioniert emotional. Wir merken uns mehr, wenn wir etwas mit Leidenschaft machen. Kinder sitzen pro Jahr mehr vor der Glotze, als in der Schule, bedingt durch die Ferien, die Wochenenden und die Halbtagsschule. „Zu viel Fernsehen macht dumm und dick“, weiß Professor Dr. Christian Pfeiffer. Ein Instrument zu spielen hingegen fördert die Intelligenz, genauso, wie Sport und Lesen, weil wir dabei selber Bilder fabrizieren. Die Kinder lesen immer weniger und Jungs noch weniger, als die Mädchen.

Herausgestellt hat sich auch, dass „Vielseher“ (bis zu fünf Stunden täglich) weniger glücklich sind, als „Wenigseher“. Nur das Einlassen auf das Leben bringt das Glück. Wenn man aus eigener Kraft etwas erreicht, wird man glücklich. Deshalb ist es wichtig, den Kindern mehr Zeit zu widmen, denn es hat sich bewiesen, dass es im Alter das von den Kindern zurückgibt, was man ihnen in der Jugend gegeben hat. „Wer seine Kinder geschlagen hat, wird als „Alter“ auch geschlagen“, so Professor Dr. Christian Pfeiffer.

Mit weiteren Hinweisen zu möglichen Alternativen und der Umsetzung einer Ganztagsschule, wie sie in Amerika bereits erfolgreich praktiziert wird, ging der Abend mit einem zwanglosen Gesprächskreis und einem Imbiss zu Ende. Weiterführende Informationen zu den Studien und Arbeiten des Professor Dr. Christian Pfeiffer sind unter www.kfn.de zu finden.


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